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Kolonie Neuland

Logo Kolonie NeulandDie Siedlerkolonie Neuland (spanisch: Colonia Neuland) zählt etwa 3000 Einwohner und wurde im Jahr 1947 von mennonitischen Flüchtlingen aus der damaligen Sowjetunion im paraguayischen Teil des Gran Chaco, im Departamento Boquerón, gegründet. In der gleichen Region waren bereits zuvor die Siedlerkolonien Menno (1927) und Fernheim (1930) gegründet worden.
Die neuen Siedler bestanden fast ausschließlich aus russlanddeutschen Mennoniten, die während des Zweiten Weltkrieges aus der Ukraine geflohen und nach dem Krieg für kurze Zeit in verschiedenen Lagern in Deutschland untergebracht waren. Charakteristisch für Mennoniten mit russlanddeutschen Wurzeln ist eine Geschichte der Verfolgung, wie auch das Festhalten am Plautdietschen, einer Variante des Niederdeutschen.

Die Übersiedlung nach Südamerika erfolgte vor allem auf dem Schiffsweg, wobei die Neusiedler bei ihrer Ankunft in der neuen Heimat oft noch von den traumatisierenden Erfahrungen des Großen Terrors unter Stalin geprägt waren. In nahezu der Hälfte der neu ankommenden Familien fehlten die erwachsene Männer. Dieses war vor allem auf die Deportationen russlanddeutscher Männer unter Stalin, aber auch auf die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges zurückzuführen.

Kolonie Neuland befindet sich im Herzen des paraguayischen Chaco, ca. 450 km nordwestlich der Hauptstadt Asunción und ist durch eine asphaltierte Straße mit dieser verbunden.

Anfänglich siedelten sich etwa 2.256 Personen bis 1948 auf dem Land der neuen Kolonie an, das in etwa eine Größe von 75.000 ha hatte. Die Kolonie befand sich südlich der schon bestehenden Nachbarkolonie Fernheim und war zuvor vom Mennonite Central Committee, einer mennonitischen Hilfsorganisation, angekauft worden. Jede Familie erhielt bei der Ansiedlung etwa 12 ha Land zugewiesen, für Witwen war eine Fläche von etwa 6 ha vorgesehen. Der 1. Februar 1947 gilt als offizieller Gründungstag. Das Zentrum der Kolonie erhielt den Namen "Neu-Halbstadt". Am 22. Januar 1948 erhielt die Kolonie den Namen "Neuland". Die Einwanderer verteilten sich auf insgesamt 27 Dörfer, wobei einige bis zu 50 km vom Zentrum Neu-Halbstadt entfernt lebten.

Die wirtschaftliche Entwicklung der noch jungen Kolonie verlief in den ersten 25 Jahren mehr als schleppend, wobei die mangelhafte Infrastruktur, sowie Trockenheit, Heuschrecken- und Ameisenplagen, wie auch eine Reihe von Missernten zu einer steten Abwanderung von Siedlern in Richtung Kanada und Deutschland führten. Zeitweise lag die Einwohnerzahl sogar unter 1.000.

Logo Kooperative NeulandAb den 1970er Jahren stabilisierte sich die Entwicklung. Dieser Umstand war nicht zuletzt der Hilfe größerer Investitionen in der Landwirtschaft zu verdanken. Die Wirtschaft konzentrierte sich auf die Milch- und Viehwirtschaft, sowie auch auf den Anbau von Erdnüssen und Sesam. Mit der wirtschaftlichen Entwicklung konnte auch der soziale Sektor in Form von Bildungseinrichtungen und eines gut ausgestatteten Krankenhauses ausgebaut werden. Aber auch Problemfelder entwickelten sich, wie etwa eine wachsende soziale Ungleichheit. Desweiteren führte die positive Entwicklung der deutschen Kolonien zu einer wachsenden wirtschaftlichen und sozialen Kluft zu den in der Umgebung lebenden Indianern und Lateinparaguayern.

Die Kolonie Neuland besitzt, wie auch die übrigen Kolonien in Paraguay, auch eine innere Autonomie in Bezug auf Verwaltung und wirtschaftliche Entwicklung.
Es besteht ein innerkoloniales Schulwesen, eine Krankenversicherung, sowie ein Ordnungsamt mit unbewaffneten Ordnungsmännern, die Aufgaben der Polizei übernehmen. Auch ist die kulturelle Identität der Bewohner noch immer stark durch ihre europäisch-deutsche und täuferisch-mennonitische Herkunft geprägt.

Die Gesamtfläche der Neuländer Ländereien beträgt 220.000 Hektar und ist Eigentum der Kolonie. Die 3.000 Einwohner leben im Zentrum der Kolonie, Neu-Halbstadt, sowie in den mittlerweile nur noch 23 umliegenden Dörfern. Die Dörfer sind durch ein gut angelegtes Straßennetz von insgesamt 500 km miteinander verbunden, das zu jeder Jahreszeit befahrbar ist. Die Unterhaltung dieser Verbindungswege wird durch die Kolonie realisiert und aus Beiträgen der Koloniemitglieder finanziert.

Die Umgangssprache der Kolonie ist Plautdietsch. Dies ist eine niederpreußische Variante des Ostniederdeutschen, die im 16. und 17. Jahrhundert unter den meist aus den Niederlanden, Belgien und Norddeutschland stammenden Siedlern im Weichseldelta entstand. Das Standarddeutsche findet vor allem Anwendung als Schul- und Kirchensprache, sowie bei offiziellen Anlässen. Durch den Kontakt mit den umgebenden Lateinparaguayern kommt außerdem Spanisch als dritte gesprochene Sprache hinzu. Die Kinder wachsen in der Regel dreisprachig auf, da Spanisch auch auf den Lehrplänen der Schulen steht und den Schülern darüber hinaus in anderen verschiedenen Fächern, die  unterrichtet werden, vermittelt wird. Es ist in einer Resolution des nationalen Ministeriums für Bildung und Kultur für die Schulen in der Kolonie, die in privater Trägerschaft und vom Ministerium anerkannt sind, festgelegt, daß der Unterricht an den Primarschulen (bzw. Volksschulen) zu 80 % in deutscher und 20 % in spanischer Sprache erfolgen muß. Des Weiteren verfügen einige Bewohner aus der „Ansiedlergeneration“ noch über Russischkenntnisse, die jedoch in den meisten Fällen der kommenden Generation nicht mehr übermittelt werden.

Stadtmitte Neuland

Im zentralen Chaco leben acht verschiedene Ethnien zusammen, die jeweils ihre eigene Sprache bzw. ihren eigenen Dialekt sprechen. Da die ersten Siedler noch nicht über Sprachkenntnisse im Spanischen verfügten, sprechen viele Indigene, vor allem die ältere Generation, auch Plautdietsch. Es gibt aber auch einige deutschsprachige Bewohner, die die Sprachen der indigenen Völker erlernen, wie etwa die der Lengua, der Chulupí oder der Guaraní.

Es gibt eine Reihe kultureller Institutionen in der Kolonie, wie beispielsweise ein Jugendstreichorchester und eine Blaskapelle.

Außerdem findet jedes Jahr ein Rodeofest statt, das sich mittlerweile zu einer nationalen Ausstellung für Landwirtschaft, Viehzucht, Industrie, Handel und Dienstleistungen erweitert hat.

Der Haushalt der Kolonie Neuland setzt sich vor allem aus den Beiträgen der einzelnen Mitglieder zusammen. Das Geld wird hauptsächlich zur Deckung der laufenden Kosten und der Schulden eingesetzt. Der Restbetrag findet Verwendung für die Verbesserung und Erweiterung des Gemeinschaftsgutes bzw. der gemeinschaftlichen Einrichtungen der Kolonie. Die Verwaltungskosten des Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesens, sowie aus den Bereichen Sicherheit und Wegbau werden ebenfalls durch Beiträge der Mitglieder finanziert.

Auch im Bereich Tourismus arbeitet die Kolonie inzwischen intensiv. Seit dem Jahr 2000 besteht ein Besucherprogramm, das dem Konzept des edukativen Tourismus folgt. So werden das interethnische Zusammenleben im zentralen Chaco, Schauplätze des damaligen Chacokrieges, die großen Estancias und Naturreservate mit einbezogen. Auch ein kulturhistorisches Museum befindet sich im Zentralort der Kolonie (in Neu-Halbstadt).

Webseite der Kolonie (spanisch): www.neuland.com.py

 

Bild Stadtmitte Neuland: HeGu~commonswiki Wikipedia